Andre Parks & Chris Samnee: Capote in Kansas (Panini Comics)
1959. Truman Capote sucht eine neue Herausforderung. Als er von einem ungelösten Kriminalfall in Kansas hört, begibt er sich gemeinsam mit Harper Lee, der Autorin des Romans “Wer die Nachtigall stört”, auf eine verstörende Reise. Die hier vorliegende Graphic Novel nähert sich auf spannende Weise Capotes Zeit in Kansas, als er die Morde an der Familie Clutter recherchierte, die als Grundlage für sein neues Projekt dienten, dem Tatsachen-Roman “Kaltblütig”. Mit “Kaltblütig” wollte Capote zeigen, dass es möglich ist, einen nicht-fiktionalen Roman zu schreiben und er ebnete damit den Weg für das damals neue Genre des “New Journalism”. Mit “Capote in Kansas” zeichnen Ande Parks und Chris Samnee ein spannendes, neues Bild des Kultautoren.
Eine herausragende Graphic Novel, die sich nicht hinter den Capote-Kino-Hits der jüngsten Zeit zu verstecken braucht!
Meinung zum Buch:
Truman Capote (* 30. September 1924 in New Orleans; † 25. August 1984 in Los Angeles) ist eine der wohl schillerndsten Figuren der Literaturszene des letzten Jahrhunderts mit Hang zur gezielten, wohlformulierten Provokation. Bekannt geworden mit Romanen wie Die Grasharfe und Frühstück bei Tiffany hatte er schnell den Ruf einer literarischen Sensation, was ihn jedoch antrieb, sich nach neuen Herausforderungen umzusehen. Als er über einen Mord an einer Familie in Kansas las, kam ihm die Idee, darüber einen Tatsachenroman zu schreiben. Was die Recherche zu diesem Buch, Kaltblütig, jedoch letztendlich für ihn persönlich bedeuten würde, konnte er an diesem Punkt noch nicht ahnen…
Autor Andre Parks und Zeichner Chris Samnee erschufen 2005 mit ihrer Graphic Novel Capote in Kansas ein kleines Meisterwerk. In ihrer Geschichte, welche sie anhand fundierter Recherchen schrieben, begleiten sie Truman Capote auf seinem Weg, Fakten für seinen Roman Kaltblütig zu sammeln. Nun muss erwähnt werden, dass wir uns im Kansas der frühen 60er Jahre befinden, wo ein auffällig gekleideter, kleinwüchsiger Mann mit einer sehr hohen Stimme, der offensichtlich schwul ist, ein
en ziemlichen Exotenstatus innehatte. Entsprechend stieß Capote zu Beginn seiner Nachforschungen auf Ablehnung und eine Mauer des Schweigens. Erst eine Anpassung an die dortigen Gepflogenheiten und Zurückhaltung bei seiner offenen, oftmals aneckenden Art der Kommunikation brachten für ihn den nötigen Erfolg, so dass er sich in die Gemeinschaft einfügen konnte, seine Informationen erhielt, jedoch auch neue Seiten an sich entdeckte und dadurch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen musste. Ein Prozess, der ihn charakterlich langfristig verändern sollte. Den beiden Künstlern gelingt es, diesen Entwicklungsprozess sensibel und mit einer respektvollen Liebe zum kleinen Detail in Szene zu setzen. Literarisch auf einem sehr guten Niveau wird die Geschichte durch Chris Samnee visuell herausragend umgesetzt. Mit einfachem Strich gelingt es ihm, vielschichtige Bilder zu gestalten, die mit ihrem geschickten Einsatz von Licht, Schatten und perfekt gewählten Perspektiven eine intensive, sehr dichte Atmosphäre aufbauen.
Die Graphic Novel Capote in Kansas erscheint als stabiles, hochwertig gestaltetes Hardcover bei Panini Comics (160 Seiten, €19,99). Während das auffallende Covermotiv farbig gestaltet ist, sind die Zeichnungen der Erzählung in klassisch inszeniertem schwarz-weiß. Zudem findet der interessierte Leser im Anhang umfangreiches und hoch interessantes Zusatzmaterial. Neben einem sehr ehrlichen Nachwort von Andre Parks über die Arbeit an Capote in Kansas findet man noch Erklärungen zu einigen Aspekten der historischen Interpretation des Autors so wie umfangreiche ergänzende Erläuterungen zum Stil, den einzelnen Figuren, der Thematik und den einzelnen Figuren. Die Vorstellung einer entfernten Szene und Skizzen aus den Entwürfen des Künstlers Chris Samnee runden das Buch perfekt ab.
Capote in Kansas ist eine sowohl anspruchsvolle als auch hochspannende Betrachtung auf die Entstehung des wohl ersten True Crime – Buches der Literaturgeschichte. Dabei zeichnen die Künstler ein sehr sensibles aber wohl ziemlich authentisches Bild eines der wohl exzentrischsten aber auch talentiertesten Künstler des 20. Jahrhunderts, der sich mit seinem für damalige Zeiten gewagten Vorhaben weit über den Rand seiner persönlichen mentalen und seelischen Belastungsgrenzen hinausgewagt hat.
Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich!
Christian Funke-Smolka
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