Jack Ketchum - Lebendig (Heyne Hardcore)
»Ihr erster Gedanke war, dass man sie lebendig begraben hatte. Dass sie sich in einem Sarg befand. Unter ihrem Rücken spürte sie Holz, und dicke Bretter auch zu ihrer Linken und zu ihrer Rechten, so nah, dass sie gerade noch den Arm heben konnte, um zu erfühlen, dass auch über ihr Holz war. Nie zuvor hatte sie Angst vor engen Räumen gehabt. Doch dieser Raum machte ihr große Angst.«
Jack Ketchum ist das Pseudonym des ehemaligen Schauspielers, Lehrers, Literaturagenten und Holzverkäufers Dallas Mayr. Seine Horrorromane zählen in den USA unter Kennern neben den Werken von Stephen King oder Clive Barker zu den absoluten Meisterwerken des Genres und wurden mehrfach ausgezeichnet.
Meinung zum Buch:

Jack Ketchum © Douglas E. Winter
Dallas Mayr, besser bekannt unter seinem Pseudonym Jack Ketchum, ist ein Mensch, der seine Leser gerne mit realitätsnahen Geschichten, die er in seinem für ihn typischen, auf Effizienz ausgerichteten Stil, punktgenau erzählt. Der ehemalige Schauspieler, Lehrer oder Holzverkäufer begann vor einigen Jahren mit der Schreiberei, hier war sein Debüt im Jahr 1980 jedoch eher dem grausamen Terror einer Kannibalen-Familie zuzuordnen, ehe er sich später mit dem auf wahre Tatsachen beruhenden Roman Evil (im Original: The Girl Next Door) einen Namen auch bei den ernsthaften Lesern und Kritikern machen konnte. Der Weg, sich an Hand eines real existierenden Falls literarisch mit diesem auseinanderzusetzen, zeichnete fortan sein Werk aus. In einem Interview (ich habe leider keine Quelle, sondern gebe es mal aus der Erinnerung wider) äußerte er einmal, dass der Alltag so viele grausame Anstöße geben könne, wie er sie sich als Autor gar nicht auszudenken vermag. Dieses Zitat kann auch bei seinem hier vorliegenden, im Jahr 1998 von Ketchum geschriebenen Kurzroman Lebendig angewandt werden. Die Geschichte handelt von der vierzigjährigen Sara Foster, die ungeplant schwanger ist und sich zu einer Abtreibung entschließt. Doch dazu kommt es nicht, denn sie wird entführt und gefangengehalten. Ihre Entführer verfolgen dabei einen perfiden Plan, der ihr Vorstellungsvermögen überschreitet…
In Deutschland wird der Autor zu Recht vom Heyne – Verlag unter ihrem Label Heyne Hardcore veröffentlicht. Da man hier spezialisiert ist auf Literatur jenseits des Massengeschmacks, ist Ketchum hier gut aufgehoben und befindet sich in illustrer Gesellschaft. Auch Lebendig (224 Seiten, €8,99) erscheint bei Heyne Hardcore. Doch kann man den Roman eher als Novelle sehen, da die Geschichte mit einem Umfang von 185 Seiten recht kurz ist. Das ist eben das Markenzeichen des Autors, kein Seitenschindendes Geschwafel zu produzieren. Aus diesem Grund befinden sich noch die Kurzgeschichten „Tapferes Mädchen“ und „Rückkehr“, so wie ein umfangreiches Werkverzeichnis in dem markant gestalteten Taschenbuch.
Mit Lebendig füllen sich die Lücken im Bereich der deutschen Veröffentlichungen des Frühwerks dieses Autors. Es gehört nicht zu seinen besten Geschichten, ist aber derbe, spannende und sehr gut lesbare Unterhaltung der härteren Form. Seine Geschichten sind auch hier wieder wendungsreich, pointiert und straff inszeniert, weshalb sich Lebendig gut in das Gesamtwerk des Autors einfügt.
Christian Funke-Smolka
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