’71 - Hinter feindlichen Linien (Ascot Elite Home Entertainment) +++Rezension & Feature+++

Mit Jack O’Connell, Paul Anderson, Sam Ried, Sean Harris, Charlie Murphy
Regie: Yann Demange

Am 5. Februar 1971 wurde in Nordirland der erste britische Soldat erschossen. Sein Name: Robert Curtis. Ab diesem tödlichen Wendepunkt des Nordirlandkonflikts waren Schießereien zwischen der Irish Republican Army (IRA) und den englischen Soldaten an der Tagesordnung. Bis heute starben bei diesem historischen Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken mehr als 3.500 Menschen, die Mehrzahl von ihnen Zivilisten.

Regisseur Yann Demange, der zuvor durch die TV-Serien Top Boy und Dead Set (Nominierung für den BAFTA Award 2010) bekannt wurde, katapultiert in seinem ersten Kinofilm den jungen englischen Soldaten Gary Hook ebenso unverhofft in diesen blutigen Konflikt hinein wie den Zuschauer. Auf der Berlinale wurde er 2014 in der Kategorie „Best First Feature Award“ und für den Goldenen Bären nominiert. Erfahrung mit der filmischen Aufarbeitung des noch immer andauernden Konflikts hatte Produzent Robin Gutch bereits durch die mehrfach ausgezeichnete Biographie Hunger. Ein sehenswerter und intensiver Action-Thriller, der unter die Haut geht und nachdenklich macht.

Belfast 1971 - Die Einheit des jungen englischen Soldaten Gary wird nach Nordirland beordert um die örtliche Polizei bei einem Routineauftrag zu unterstützen. Doch gleich der erste Einsatz gerät völlig außer Kontrolle. Von seinen Kameraden getrennt muss Gary vor den aufgebrachten Iren von nun an um sein Leben rennen. Nur durch die Hilfe einiger Einwohner erhält er die Chance, diesen zu überleben und zu seiner Einheit zurückzukehren. Allerdings wird Gary bei einem Bombenattentat schwer verletzt und findet Unterschlupf bei einer katholischen Familie. Und doch ist er noch nicht in Sicherheit: Die IRA ist ihm bereits dicht auf den Fersen.

Der außergewöhnliche Politthriller ’71 wurde im Juli 2014 mit dem Bernhard Wicki Filmpreis – Die Brücke – Der Friedenspreis des Deutschen Films in der Kategorie Nachwuchspreis International ausgezeichnet. Der Londoner Regisseur Yann Demange nahm den begehrten Award persönlich aus der Hand der irischen Schauspielerin Charlie Murphy (NORTHMEN – A VIKING SAGA, PHILOMENA) entgegen. Murphy spielt in ’71 die Tochter eines Arztes, der dem jungen Briten zur Hilfe kommt.

Meinung zur Veröffentlichung:

Wir befinden uns im Belfast des Jahres 1971, der Nordirland-Konflikt befindet sich gerade auf seinem gewalttätigen Höhepunkt! Der politisch eher unerfahrene Rekrut Gary Hook (Jack O’Connell) und seine Kameraden geraten bei einer routinemäßigen Kontrolle einer randalierenden Gruppe in ein wildes Gemenge, bei dem einem der Soldaten seine Waffe entwendet wird. Gary und sein Kamerad Thommo verfolgen den Dieb, als ein Schuss fällt und Thommo tödlich getroffen zusammenbricht. Plötzlich ist Gary auf sich alleine gestellt in einem ihm unbekannten und feindlich gesinnten Belfast…

Der britische Regisseur Yann Demange legt nach einigen Kurzfilmen und TV-Serien mit ’71 - Hinter feindlichen Linien sein beeindruckendes Spielfilmdebüt vor. Basierend auf dem Drehbuch des schottischen Autors Gregory Burke erleben wir hier einen intensiven und in die Tiefe gehenden Film über den schon oft im Film thematisierten Konflikt. Doch ’71 - Hinter feindlichen Linien, der zu Recht auf diversen Festivals nominiert und ausgezeichnet wurde, braucht sich hier nicht hinter den großen Klassikern verstecken! Gut gespielt, mit Liebe zum Detail ausgestattet und packend inszeniert präsentiert uns Demange einen fesselnden und intensiven Film.

’71 - Hinter feindlichen Linien erscheint als DVD, Blu-ray und Video on Demand bei Ascot Elite Home Entertainment. Mir lag die Blu-ray vor, die in Bild (2,39:1/16:9 – 1080/24p HD) und Ton (Deutsch & Englisch: DTS-HD Master Audio 5.1) überzeugen konnte. Im Bonusbereich befanden sich eine knapp zwanzig Minuten lange B-Roll, sechs längere Interviews, der Originaltrailer und eine Programmübersicht.

’71 - Hinter feindlichen Linien ist ein grandioser Film, der sich ernsthaft und vielschichtig mit dem Nordirland-Konflikt auseinandersetzt. Packend inszeniert, hervorragend gespielt und musikalisch passend untermalt kann ich hier eine unbedingte Empfehlung aussprechen!

Der Bad Boy des jungen britischen Kinos

Bekannt ist der diesjährige BAFTA Award-Gewinner Jack O’Connell aus Filmen wie 300: Rise of an Empire und Angelina Jolies Unbroken. Ebenfalls 2014 drehte er auch ’71 – Hinter feindlichen Linien, der nun auf Blu-ray und DVD erscheint. Im von Kritikern hochgelobten und mit dem Friedenspreis des Deutschen Films ausgezeichneten Politthriller spielt Jack O’Connell einen britischen Soldaten, der auf den tödlichen Straßen Belfasts im Jahre 1971 um sein Überleben kämpfen muss.

Geboren und aufgewachsen ist Jack O’Connell 1990 als Sohn einer Arbeiterfamilie in Derby, England. Trotz seiner Kindheit in Derby, sieht er sich nicht als Briten, sondern identifiziert sich mehr mit den irischen Wurzeln seines Vaters, der 2009 an Krebs starb.

In jungen Jahren wurde O’Connell von seinem Großvater, damals Spieler bei Burton Albion, inspiriert, ebenfalls professioneller Fußballspieler zu werden. Als Stürmer spielte er für die Alvaston Rangers und wurde später von Derby Country übernommen. Doch eine Serie von Verletzungen beendete diese Karriere schon früh.

Er geriet immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und sah in der Army seine einzige Chance auf ein ehrliches Leben. Mit 12 schickten ihn seine Eltern zur Jugendorganisation Army Cadet Force, aber sein langes Jugendstrafregister verhinderte die Aufnahme beim Militär. Er ging auf die Saint Benedict Catholic School, der er mit 16 wieder verließ. Mit 17 wurde er zu einem Jahr Sozialarbeit verurteilt.

Sein Interesse an der Schauspielerei wurde schon in der Schule geweckt. Im Alter von 13 nahm er zwei Mal die Woche am „Television Workshop“ in Nottingham teil. Darauf folgten Vorsprechen in London, wo er öfters auf der Straße übernachten musste, da er sich kein Hotel leisten konnte.

Sein Filmdebut feierte er 2006 im Skinhead-Drama This Is England. Der Durchbruch folgte aber erst mit der Serie Skins (2009-2010) und mit der Hauptrolle in der Independentproduktion Mauern der Gewalt (2013), welche ihm hervorragende Kritiken für sein authentisches Schauspiel und diverse Auszeichnungen einbrachte.

In seinen Rollen spiegelt sich die turbulente Kindheit von O’Connell wieder. Das rohe Arbeitermilieu in This is England, sein draufgängerischer Charakter in Skins oder als jugendlicher Serienstraftäter in Mauern der Gewalt – diese Rollen scheinen wie für ihn gemacht. Er selbst beschreibt sich bezüglich seiner kriminellen Jugend als „Produkt seiner Umwelt“.

Nun ist er in ’71 – Hinter feindlichen Linien als junger britischer Soldat Gary Hook zu sehen, dessen Einheit zur Unterstützung einer Polizeiaktion in Belfast herangezogen wird. Die Razzia eskaliert und Hook bleibt, getrennt von seiner Einheit, alleine und verletzt zurück. Von der IRA gejagt, erfährt er Hilfe von einigen Einwohnern. Doch ihm wird klar, dass hier oft ein doppeltes Spiel gespielt wird. Wem kann er in diesem verworrenen Konflikt noch vertrauen?

Christian Funke